Müssen bald Klingelschilder Wohnungsnummern weichen? Mit genau dieser Frage beschäftigen sich aus aktuellem Anlass Wohnungsbaugesellschaften und Vermieter. Das Thema ins Rollen gebracht hat ein Mieter aus Wien, welcher aufgrund seines Namens an der Klingel, Klage gegen die Wohnungsbaugesellschaft eingereicht hat. Grund dafür sei die Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Mieters. Dieses ist klar im Datenschutz verankert, weswegen ein jeder selbst über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten entscheiden sollte. Deshalb möchte nun in Österreich eine Hausverwaltung rund 220.000 Klingelschilder gegen Nummern austauschen. Die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) gilt europaweit, wodurch dieses Thema auch in Deutschland Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Durch die auftretenden Vorkommnisse herrscht nun Unsicherheit und Unklarheit über die aktuelle Rechtslage sowie ob Wohnungsbaugesellschaften bzw. Vermieter zukünftig Klingelschilder an Mietshäusern abmontieren bzw. den Namen entfernen sollten.

Österreich als Vorreiter

Österreich machte den Anfang. Ein Mieter aus Wien klagte nun gegen die Wohnungsbaugesellschaft, da durch die Anbringung seines Namens auf dem Klingelschild, seine Privatsphäre nicht genügend geschützt wird. Daraufhin wendete sich die Wohnungsbaugesellschaft an die zuständige Magistratsabteilung für Datenschutzangelegenheiten, welche die Verbindung von Name und Wohnungsnummer ebenfalls als Datenschutzverstoß deklarierte. Auf Basis dieser Einschätzung will die Gesellschaft nun die Namensschilder an knapp 220.000 Klingeln entfernen lassen. Künftig soll damit nur noch die Wohnungsnummer an der Klingel zu finden sein. Erste Wohnungsbaugesellschaften in Deutschland raten Vermietern ebenfalls zum vorzeitigen abmontieren der Klingelschilder ihrer Mieter.

Müssen Klingenschilder aufgrund der DS-GVO entfernt werden?

Das der Name ein personenbezogenes Datum darstellt, steht selbstverständlich außer Frage. Auch hierzulande wurde das Thema deshalb ebenfalls aufgegriffen. Datenschützer aus Deutschland diskutieren aktuell hitzig darüber, ob ein derartiger Fall gerechtfertigt ist.

Die Sprecherin der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit argumentierte in diesem Zusammenhang, dass die Datenschutz-Grundverordnung bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten von einer automatisierten Verarbeitung spricht, worunter die Anbringung eines Klingelschildes nicht fallen dürfte. Somit dürfte das Regelwerk in diesem Fall überhaupt nicht greifen.

Stimmen aus der Politik halten die Behauptung, Klingelschilder müssten, aufgrund der DS-GVO, entfernt werden, für überzogen und absurd. Zweck der aufkommenden Schlagzeilen wäre nur nach einem weiteren Grund zu suchen, substanzlos die DS-GVO zu diskreditieren und die Menschen zu verunsichern.

Ein weiterer Punkt, welcher gegen das Entfernen des Klingelschildes spricht, wäre insbesondere die erschwerte Zuordnung der richtigen Wohnung in Notfällen. Notärzte, Rettungsdienste, Feuerwehr oder sogar der Postbote – da auch ein Namensschild am Briefkasten hierunter fallen würde – könnten nur unter unverhältnismäßigen zeitlichen Aufwänden ihrer Arbeit nachgehen. Gerade bei medizinischen Notfällen würde man von wichtigen Minuten sprechen, welche im Einzelfall ausschlaggebend sein könnten. Eine genaue Regelung zu Namensschildern an Türklingeln sieht die DS-GVO auch so nicht vor. Auch der Präsident des Bayrischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht sieht keine Notwendigkeit Klingelschilder zu pseudonymisieren, außer es handelt sich beispielsweise um gefährdete prominente Personen, Personen in einem Zeugenschutzprogramm oder Personen, die durch Stalking bedroht werden.

Dem entgegen stehen die Aussagen der Befürworter, welche die Meinung der Magistratsabteilung aus Österreich teilen. So auch der Landesbeauftragte für Datenschutz und die Informationsfreiheit aus Thüringen. Die Aufführung des Namens an der Klingel würde eine Übermittlung personenbezogener Daten an eine unbekannte Zahl Dritter darstellen. Für die Anbringung wäre demnach eine Rechtsgrundlage oder die Einwilligung der Betroffenen notwendig. Auch könne die Anbringung laut dem Thüringer Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit rechtskonform erfolgen, in dem der Bewohner sein Klingelschild selbst anbringt, die Veröffentlichung im Mietvertrag/der Hausordnung geregelt ist oder eine kommunale Satzung/Verordnung die Pflicht zur Anbringung vorsieht.

Die erste Interessengemeinschaft von privaten Haus-, Wohnungs- und Grundstückeigentümern rät ihren Mitgliedern bereits dazu, wer auf „Nummer sicher“ gehen will, sollte vorsorglich die Klingelschilder seiner Mieter entfernen. Man möchte hier vorausschauend die Möglichkeit einer Klage eines Mieters verhindern. Sollte dies so richtig sein, müssten Wohnungsbaugesellschaften unzählige Namensschilder ihrer Mieter vorsorglich entfernen, um möglichen Bußgeldern entgegenzuwirken. Dies wäre mit einem immensen Aufwand sowie Kosten für die Gesellschaften verbunden. Die Interessengemeinschaft rudert in ihrem Statement jedoch auch wieder zurück. Sofern sich kein Mieter bisher beschwert hat, bräuchte auch niemand unbedingt aktiv werden.

In einem Statement der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationssicherheit heißt es, dass Rat seitens der zuständigen Aufsichtsbehörde eingeholt werden sollte. Auch wird in dem Statement vom 18.10.2018 erläutert, dass das Anbringen der Klingelschilder mit Namen weder eine automatisierte Verarbeitung noch eine tatsächliche oder beabsichtigte Speicherung in Dateisystemen darstellt und somit die Datenschutz-Grundverordnung nicht greift und sofern die DS-GVO doch anwendbar sei, als Rechtsgrundlage neben einer Einwilligung auch die Interessenabwägung gemäß Art. 6 Absatz 1 lit. f DS-GVO als Rechtsgrundlage in Betracht kommt.

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